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Strache: Keine Asyl-Lösung zulasten Österreichs

Strache will keine Lösung auf Lasten Österreichs.
Strache will keine Lösung auf Lasten Österreichs. ©APA/ROLAND SCHLAGER
Kurz vor dem Treffen mit dem deutschen Innenminister Horst Seehofer (CSU) hat Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) bekräftigt, dass die Regierung bei der Rücknahme von Asylbewerbern keine Lösung zulasten Österreichs akzeptieren wird.
Asyl-Transitzonen
Fremdenrecht
Kein Recht auf Zuwanderung
Strache im Interview
Asyl-Grundversorgungszentren

“Es kann ja nicht sein, dass wir jetzt in Österreich plötzlich für die Fehler der deutschen Politik bestraft werden sollen”, sagte Strache der “Bild”-Zeitung am Donnerstag. Seehofer will am Donnerstag in Wien ausloten, ob die Bundesregierung bereit wäre, bestimmte Flüchtlinge aus deutschen Transitzentren aufzunehmen.

Strache will keine Asyl-Lösung auf Kosten Österreichs

CDU und CSU hatten am Montagabend vereinbart, an der deutsch-österreichischen Grenze Transitzentren für Flüchtlinge einzurichten, für deren Asylverfahren ein anderes EU-Land zuständig ist. Aus diesen Zentren sollen sie dann direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden. Gibt es zwischen Deutschland und dem betreffenden EU-Land keine entsprechende Vereinbarung für eine beschleunigte Rückführung, ist vorgesehen, den Schutzsuchenden nach Österreich zurückzuweisen. Dafür soll eine Vereinbarung mit Wien geschlossen werden.

Strache lobte in der “Bild”-Zeitung zugleich die CSU und besonders Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder. Auf die Frage, ob die CSU in Deutschland Positionen der rechtspopulistischen FPÖ vertrete, sagte Strache: “Kopiert oder nicht – es ist jedenfalls schön, dass die eigene freiheitliche Position sich auf Dauer auch in anderen europäischen Ländern und auch in der BRD durchsetzt, nach jahrelangen Anfeindungen.” Er habe von Anfang an von “Asyltourismus” gesprochen. “Eine weitere Wirtschaftszuwanderung in unser Sozialsystem wollen wir nicht. Und es ist gut, dass Markus Söder das genauso sieht.”

Entscheidung im Asylstreit

Seehofer will in Wien mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Strache ausloten, ob Österreich bereit wäre, bestimmte Flüchtlinge aus den geplanten Transitzentren aufzunehmen. Dabei geht es um solche Menschen, für deren Asylverfahren ein anderes EU-Land zuständig wäre, das aber wiederum mit Deutschland keine Rücknahme-Vereinbarung schließen will – wie bisher etwa Italien. Eine Zustimmung Österreichs ist deshalb der zentrale Baustein für den gesamten Asylkompromiss, mit dem CDU und CSU nach wochenlangem Streit den Bruch ihres Bündnisses und damit der Bundesregierung vorerst abgewendet haben.

Nach Seehofers Rückkehr geht es am Abend gleich weiter: Dann wollen Union und SPD bei einem weiteren Spitzentreffen über den Unionsvorschlag verhandeln – eine Einigung scheint nicht ausgeschlossen. Wünschenswert wäre aus Sicht der Union auch eine Vereinbarung mit Italien. Angesichts des Abblockens der Regierung in Rom droht CSU-Generalsekretär Markus Blume bereits: “Italien muss wissen: Wenn es kein Abkommen gibt über die Rücknahme von Asylbewerbern, für die Italien zuständig ist, werden wir an der deutsch-österreichischen Grenze zurückweisen.” Es sei zwar immer besser, kooperativ als konfrontativ zu arbeiten, sagte er der “Süddeutschen Zeitung” (Donnerstag). “Aber Deutschland darf nicht der Dumme sein, wenn sich die anderen der Kooperation verweigern.”

Blumes CSU-Kollegin Andrea Lindholz, die Vorsitzende des Bundestag-Innenausschusses, sagte dem Magazin “Focus”: “Nachdem Deutschland seine Nachbarn in der Flüchtlingskrise so massiv entlastet hat, wäre jetzt ein Entgegenkommen mehr als angemessen. Entscheidend ist die Kooperation mit Österreich.”

Koalition berät

Parallel zu Seehofers Verhandlungen in Wien will Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einen der härtesten Kritiker ihrer Flüchtlingspolitik empfangen, den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Seehofer traf sich mit ihm bereits am Mittwoch. Wie die “Bild”-Zeitung (Donnerstag) aus Orbans Umfeld erfuhr, bekräftigte der Ministerpräsident dabei seine Haltung: Ungarn müsse laut EU-Recht keine illegal eingewanderten Menschen aufnehmen, da sie Europa über andere, sichere Länder beträten. Ungarn sei aber “gerne dabei behilflich, diese Schutzsuchenden in das jeweilige Erstankunftsland zurückzuführen”.

Ungarn ist eines der Länder, von denen Merkel nach eigenen Angaben auf dem EU-Gipfel in Brüssel eine Zusage dafür erhalten hat, ein Verwaltungsabkommen über die Rücknahme bei ihnen registrierter Flüchtlinge abzuschließen. Allerdings sagte Orban nach dem Gipfel, es sei noch “zu keinerlei Vereinbarung gekommen” – was von einigen Medien als Dementi interpretiert worden war, obwohl es um künftig zu schließende Abkommen ging.

Der frühere Vizepräsident des Europaparlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), rechnet nicht mit einem Entgegenkommen Orbans. “Orban hilft der Kanzlerin nicht aus der Patsche. Er will keine Flüchtlinge, das hat er klargemacht”, sagte Lambsdorff dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Donnerstag). Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte der “Mitteldeutschen Zeitung” (Donnerstag), die Union habe “Inhaftierungslager” im Sinn – und diese seien “völlig inhuman, widersprechen dem geltenden europäischen Recht und stehen damit bedenklich nah an der Politik von Viktor Orban”.

Transitzentren für Migranten

Die von CDU und CSU vorgeschlagenen Transitzentren für zurückzuführende Migranten sind nach Einschätzung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ohnehin rechtlich fragwürdig und nicht praktikabel. “Was hier abgeliefert wird ist Stückwerk, weil es andere deutsche Grenzen nicht betrachtet und dafür keine Konzepte liefert”, bemängelte der Vizevorsitzende Jörg Radek. Eine GdP-Analyse, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, moniert etwa einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsprinzip: Migranten würden an der Grenze zu Österreich festgehalten, während sie andere deutsche Grenzen ungehindert passieren könnten. Für sinnvoller hält Radek einen anderen Vorschlag sowohl von Merkel als auch Seehofer – eine Schleierfahndung hinter den Grenzen.

Die schwebt auch dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) vor, in dessen Land Migranten vor allem über Tschechien und Polen kommen. “Ich setze sehr darauf, dass Personen, die in der Schleierfahndung an der deutsch-polnischen oder deutsch-tschechischen Grenze aufgegriffen werden, in die Ankerzentren kommen und dort die Verfahren massiv verkürzt werden”, sagte Kretschmer der “Rheinischen Post” (Donnerstag).

Deutschland im Asylstreit

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil kritisierte den Unionskompromiss. “Ich habe den Eindruck, dass dieser wackelige Kompromiss zwischen CDU und CSU sehr schnell wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen kann”, sagte er dem Magazin “Frankfurter Allgemeine Woche”. Dieser habe einen “symbolischen Charakter und ist komplett auf die bayerische Landtagswahl ausgerichtet. In der Sache selbst hat er aber nicht weitergeholfen.”

Die SPD ist unter anderem strikt gegen eine geschlossene, gefängnisähnliche Unterbringung. Die Union verweist dagegen darauf, dass die Transitzentren nicht geschlossen seien, weil Migranten von dort zwar nicht nach Deutschland einreisen könnten, aber nach Österreich zurückkehren dürften.

Seehofer in Wien: Mögliche Asyl-Vereinbarung

Nach dem Asyl-Kompromiss von CDU und CSU sucht der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) jetzt die dafür nötige Unterstützung Österreichs. Bei einem Treffen mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will Seehofer (heute) Donnerstag in Wien sondieren, ob der Abschluss einer Vereinbarung zur Zurückweisung bestimmter Flüchtlinge möglich ist.

Österreich soll Asylbewerber aus deutschen Transitzentren aufnehmen, die vom eigentlich für sie zuständigen Land nicht zurückgenommen werden. In einer ersten Reaktion hat sich Kurz strikt gegen eine solche Vereinbarung ausgesprochen. Es werde kein Abkommen geben, das zulasten Österreichs gehe, betonte der Bundeskanzler.

Asylkompromiss: Deutschland macht Rechnung ohne Österreich

SPÖ-Chef Christian Kern sieht nur wenige Chancen auf eine Einigung Deutschlands mit Österreich in der Asylfrage. “Ich sehe nicht, wie der deutsche Asylkompromiss die Grundlage bietet auf irgendetwas, was man umsetzen kann”, sagte der Oppositionsführer dem Bayerischen Rundfunk. Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) wollte am Donnerstag beim österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Beisein von Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) für den Kompromiss im Asylstreit von CDU und CSU werben.

Insbesondere will er die Bereitschaft Wiens ausloten, über Österreich gekommene Migranten aus deutschen Transitzentren zurückzunehmen, die der eigentlich für das Asylverfahren zuständige Staat nicht aufnehmen will. Kern sagte dazu: “Ich sehe hier weder eine Rechtsgrundlage noch die praktische Durchführbarkeit. Es ist aus meiner Sicht selbstverständlich so, dass Österreich in dem Fall Flüchtlinge, die nicht erstregistriert wurden in unserem Land, auch nicht zurücknehmen wird.”

Einen Kompromiss Österreichs mit Deutschland hält Kern für schwer vorstellbar. Zielführender sei eine gesamteuropäische Lösung, zumal es um “verschwindend geringe Flüchtlingszahlen” gehe. “Wir haben ja die Migrationszahlen nach Europa deutlich reduzieren können”, sagte der ehemalige Bundeskanzler. Seehofers Kurs irritiere ihn. “Eine Landtagswahl in Bayern mag wichtig sein, aber hier Europa in eine Krise zu führen, dafür hat eigentlich niemand Verständnis.”

Kern sieht wenig Chancen für Asyl-Einigung

Seehofers Wien-Besuch zielt auf eine Vereinbarung ab, die Deutschland die Zurückweisung bestimmter Asylwerber direkt an der Grenze ermöglichen soll. So sieht es ein Kompromisspapier von CDU und CSU nach wochenlangem Streit vor. Kanzler Kurz hat angekündigt, er werde keine Vereinbarung zulasten Österreichs treffen. Am Abend beraten in Berlin erneut die Spitzen von CDU, CSU und SPD über die Flüchtlingspolitik. Zu der Sitzung des Koalitionsausschusses wird auch Seehofer erwartet. Die SPD hat dem Kompromiss von CDU und CSU bisher nicht zugestimmt.

Die Vorsitzende des Innenausschuss des Bundestages, Andrea Lindholz (CSU), zeigte sich unterdessen optimistisch zu den Erfolgsausschichten der Gespräche von Innenminister Seehofer in Wien. Sie sei “guter Dinge”, dass Seehofer mit der österreichischen Regierung eine gute Lösung hinbekomme, sagte Lindholz am Donnerstag im ZDF-“Morgenmagazin”. Seehofer sei in der Lage, zudem auch mit Italien eine Verständigung zu finden. Lindholz drohte für den Fall eines Scheiterns der Gespräche mit Österreich und anderen EU-Staaten mit einem nationalen Alleingang. Falls das System mit den Transitzentren nicht funktioniere, werde an der deutschen Grenze zurückgewiesen.

Kaum illegale Einreisen über Österreich

In den ersten fünf Monaten des Jahres ist einem Medienbericht zufolge nur ein geringer Teil aller illegal nach Deutschland eingereisten Menschen über die österreichisch-deutsche Grenze ins Land gekommen. 73 Prozent seien hingegen über andere Grenzen nach Deutschland gelangt, berichtete die “Rheinische Post” (Donnerstag) unter Berufung auf eine entsprechende Auflistung der deutschen Bundespolizei.

Insgesamt wurden demnach bis Ende Mai unerlaubte Einreisen von 18.024 Menschen festgestellt, auf den Grenzbereich zu Österreich entfielen lediglich 4.935. Laut der Statistik der Bundespolizei seien unter anderem 2.039 Menschen über die Schweiz, 1.905 über Tschechien und 1.622 über Frankreich nach Deutschland eingereist, schrieb die “Rheinische Post”. An den Flughäfen habe die Bundespolizei 3.747 entsprechende Anzeigen geschrieben.

Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) wollte am Donnerstag bei Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) für den Unions-Kompromiss im Asylstreit werben. Insbesondere will er die Bereitschaft Wiens ausloten, über Österreich gekommene Migranten aus deutschen Transitzentren zurückzunehmen, die der eigentlich für das Asylverfahren zuständige Staat nicht aufnehmen will.

“Kurz agiert wie echter Europäer”

Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher ist wegen Österreichs Plänen zur möglichen Einführung dauerhafter Brenner-Grenzkontrollen als Reaktion auf eine neue Asylpolitik Deutschlands besorgt, vertraut jedoch Bundeskanzler Sebastian Kurz. “Er agiert wie ein echter Europäer”, so Kompatscher im Interview mit der Mailänder Tageszeitung “Corriere della Sera” (Donnerstagsausgabe).

Kompatscher urgierte eine gesamteuropäische Lösung zum Schutz der EU-Außengrenzen und zur Regelung der Einwanderung innerhalb Europas. “Die Antwort kann nicht die Schließung der Binnengrenzen sein: So verliert die Wirtschaft ganz Europas. Das bedeutet, all das zu zerstören, was wir seit der Nachkriegszeit aufgebaut haben. Der Brenner war viele Jahre ein Ort der Trennung und ist heute ein Symbol der europäischen Einheit. Er muss offen und ohne Kontrolle bleiben”, sagte der Südtiroler Landeshauptmann.

Kein Flüchtlingsnotstand

Am Brenner gebe es keinen Flüchtlingsnotstand. “Der Migrantenstrom hat sich auf Null verringert. Es gibt keinen konkreten Grund, um wieder dauerhafte Kontrollen einzuführen”, sagte der 47-Jährige. Kurz habe sich wie ein echter Europäer verhalten, indem er Deutschland klar gemacht habe, dass die Grenzschließung einen Dominoeffekt auslösen würde. “Mit einseitigen Schritten verlieren wir alle”, so Kompatscher.

Der Südtiroler Landeshauptmann erklärte, er plane ein Telefongespräch mit dem österreichischen Bundeskanzler. Dieses werde vor Kurz’ Treffen mit dem deutschen Innenminister Horst Seehofer am heutigen Donnerstag erfolgen.

APA/red

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