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Albertina zeigt Retrospektive der Fotografin Lisette Model

Kurator Moser und Albertina-Generaldirektor Gleis in der Model-Schau
Kurator Moser und Albertina-Generaldirektor Gleis in der Model-Schau ©APA
Die "bereits vierte Show zur Fotografie" in seiner noch kurzen Amtszeit hat Albertina-Generaldirektor Ralph Gleis am Mittwoch der Presse vorgestellt. Es handelt sich um die erste umfassende museale Schau über die in Wien geborene Fotografin Lisette Model (1901-1983), zu der das Museum seinen "exzellenten Bestand" (Kurator Walter Moser) mit zahlreichen Leihgaben ergänzt hat. Die "fantastische Künstlerin" sei hierzulande "noch nie so ausführlich präsentiert worden", so Gleis.

In der Retrospektive sind 154 im wesentlichen zwischen 1933 und 1959 entstandene Werke zu sehen, die in der Kapitel-Gliederung wesentliche Lebensstationen der Autodidaktin nachvollziehen, die sich eigentlich in der Schwarzwaldschule mit Kursen bei Arnold Schönberg auf Musik konzentriert und in ihrer Heimatstadt selbst nie fotografiert hat. Damit begann sie erst, nachdem sie nach dem Tod des Vaters mit Mutter und Schwester 1926 nach Frankreich übersiedelte. Im Oktober 1938 emigrierte die einer großbürgerlichen jüdischen Familie entstammende Fotografin mit ihrem Mann nach New York, wo sie wesentliche weitere Kapitel ihres Lebens und ihres Schaffens aufschlug.

"Bilder, die uns unmittelbar und direkt treffen"

Eindrucksvoll zeigt die Ausstellung, die von 30. Oktober bis 22. Februar 2026 zu sehen ist und von einem umfassenden Katalog begleitet wird, Lisette Model als Fotografin der Gegensätze, als Künstlerin der Ambivalenzen. "Sie war eine Meisterin des Schnappschusses - und der Nachbearbeitung", sagte Gleis, und Moser verwies auf das Beschneiden von Negativen und das statuarische Herausmodellieren der Porträtierten, das einen großen Effekt erzielte. Gleis: "Bilder, die uns so unmittelbar und direkt treffen, und das in einer so gleichbleibenden Qualität, sind selten." Einerseits sei sie beim Fotografieren selbst ganz nach Gefühl vorgegangen, in der Dunkelkammer sei die Expressionistin aber zur Konstrukteurin geworden, sagte der Kurator.

Upper Class und Lower East Side

Zu sehen sind Vertreter der untersten und der obersten Gesellschaftsschichten. Berühmt wurde Model durch ihre 1934 entstandene Serie von reichen Menschen an der Promenade des Anglais in Nizza, später fotografierte sie Ladys der New Yorker Upper Class mit ihren Hunden oder bei Modeschauen. Gleichzeitig gibt es aber Fotoserien über Pariser Obdachlose oder Arbeiter der Lower East Side. Ob das Zeigen dieser Gegensätze auch eine politische Aussage anstrebte - das ist eine weitere der Fragen, die man sich angesichts dieser Fotos stellt, und die ihr selbst 1954 auch vom FBI gestellt wurden, als sie in der McCarthy-Ära in den Verdacht kommunistischer Konspiration geriet. Man konnte ihr nichts nachweisen, stufte sie jedoch als nicht kooperationsbereit ein. Das reichte, um ihre wichtigsten Auftraggeber wie "Harper's Bazaar" auf Distanz gehen zu lassen.

Im Zuge einer beruflichen Umorientierung ließ sie sich von der neuen venezolanischen Regierung einladen. Die dort entstehenden Fotos der technischen Infrastruktur zur Ölförderung sind untypisch für Lisette Model - und werden gerade deshalb in der Albertina gezeigt, hob Walter Moser hervor. Ihre Auftraggeber machte sie damit dennoch nicht glücklich: Die düsteren Fotos ließen sich schwer für Propaganda- und Werbezwecke gebrauchen.

All that Jazz

Die Albertina-Retrospektive schließt mit einer Serie, die Lust und Lebensfreude vermittelt: Jazz. Ab den 1940er-Jahren fotografierte Lisette Model in New Yorker Nachtclubs und auf Festivals wie dem Newport Jazz Festival. Am häufigsten porträtierte sie dabei Billie Holiday. Das 1959 entstandene Foto der toten, aufgebahrten Sängerin ist ein Punkt des Innehaltens in einem voll Leben pulsierenden letzten Saal - und ein Beweis für die Vielseitigkeit der Fotografin, die nach den politischen Repressalien eine erfolgreiche Karriere als Lehrende startete und die nachfolgende Generation der Fotografinnen beeinflusste. "Wir sind der Meinung, dass hier noch viel zu entdecken ist", warb Ralph Gleis für die Schau. Man sollte sich die Zeit dafür nehmen.

(S E R V I C E - "Lisette Model. Retrospektive", Albertina, 30. Oktober 2025 bis 22. Februar 2026, tgl. 10-18 Uhr, Mi und Fr 10-21 Uhr, Katalog: 256 Seiten, 32,90 Euro)

(APA)

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