Schon beim Betreten seiner Wohnung in Bludenz wird klar: Hier wohnt jemand, der Ordnung und Ruhe schätzt. Im Eingangsbereich hängen die Medaillen, die der gebürtige Schweizer für seine Top-drei-Platzierungen im Gesamtweltcup erhalten hat. "Ich habe sie der Reihe nach aufgehängt", erklärt der frisch verheiratete 32-Jährige. "Schauen wir mal, ob noch eine dazukommt, Platz wäre noch genug", sagt er schmunzelnd.
In seinen vier Wänden, in denen er gemeinsam mit seiner Frau Julia wohnt, steht das Abschalten im Vordergrund. "Das ist wirklich die sportfreie Zone, wo ich mich ausruhe", sagt Hämmerle. Der einzige Sport, der hier läuft, ist jener im Fernsehen. "Da läuft viel Fußball und seit Neuestem auch gerne Golf und Tennis."
Der morgendliche Espresso
Der Tag des Olympiasiegers beginnt typischerweise mit einem Espresso aus der eigenen Siebträgermaschine. "Dann ein kleines Frühstück und Zähneputzen. Das geht bei mir eigentlich alles ruckzuck, und schon bin ich aus dem Haus", erzählt er.
Speziell im Winter ist Hämmerle viel unterwegs. "Ich freue mich immer extrem auf zu Hause. Vorarlberg ist einfach wunderschön und der Lebensstandard ist sehr hoch. Das merkt man vor allem, wenn man viel reist."
Im "Hauptquartier" wird gerne mal gejasst
Zu Hause schätzt er kleine Rituale: den Espresso, die Ruhe – und die Zeit mit Freunden. "Meine Freunde nennen meine Wohnung manchmal liebevoll ‚Hauptquartier‘. Ich habe das Gastgebertum sicher von meinen Eltern mitbekommen", erzählt er. Und bei einem geselligen Abend darf eines nicht fehlen: "Da wird gerne mal ein Jass geklopft und gemeinsam was Feines gegessen."
Direkt über der Couch hängt seine Goldmedaille von den Olympischen Spielen 2022 in Peking. "Ich hatte sie noch ziemlich lange im Originalpaket, bis ich sie eingerahmt an die Wand hängte. Es ist eine wirklich schöne Deko." Vom Balkon aus blickt er Richtung Montafon. "Da bin ich im Sommer mit dem Bike viel unterwegs", sagt der im Montafon groß gewordene 32-Jährige.
Alltag im Olympiazentrum
Aufgewachsen in Gaschurn, trainiert Hämmerle seit seiner Jugend im Olympiazentrum Dornbirn. "Von Bludenz nach Gaschurn sind es nochmals rund 30 Minuten. Von dort aus nach Dornbirn zu pendeln, war auf Dauer zu weit. Bludenz ist der perfekte Kompromiss", erklärt er seinen Umzug nach Bludenz.
Als Leistungssportler verbringt Hämmerle viel Zeit mit Training – im Winter auf Schnee, im Sommer in der Kraftkammer im Olympiazentrum in Dornbirn: "Ich bin wirklich oft hier." Seine Lieblingsübung? "Wie bei vielen Jungs ist auch bei mir das Bankdrücken die Lieblingsübung. Es gibt aber auch ein ganz schlimmes Gerät, den Exzentriktrainer. Mein Trainer mag es dafür umso mehr. Aber es bringt natürlich den erwünschten Erfolg", meint der Spitzenathlet.
Das Quäntchen Extramotivation ist da
Ein typischer Trainingstag beginnt für ihn um 7.30 Uhr im Olympiazentrum. "Dann gibt’s manchmal noch ein kleines Frühstück. Zum Aufwärmen spielen wir Fußballtennis, und dann geht’s los." Im Winter liegt der Fokus darauf, die Sommerform zu halten. "Wenn wir unterwegs sind, finden wir oft nicht die Trainingsmöglichkeiten vor wie hier. Da geht man lieber laufen oder macht eine Mobilitätseinheit."
Der kommende Winter ist für Hämmerle besonders: Im Februar stehen die Olympischen Spiele in Italien an. "Meine Herangehensweise ist gleich wie vor jedem Rennen. Man kann das Rad nicht neu erfinden. Wir waren die letzten Jahre erfolgreich, und deshalb haben wir es diesen Sommer gleich gemacht." Etwas spürt er aber doch: "Dieses Quäntchen Extramotivation ist da. Das geht bei mir schon im Sommer los, dass ich ans Limit gehe und die letzten Prozente heraushole."
Die Goldmedaille von 2022 nimmt auch etwas Druck. "Vor vier Jahren war ich um einiges gestresster. Ich wusste nicht, ob es meine letzten Spiele sind. Das war so eine ‚Do-or-Die‘-Aktion, die zum Glück aufgegangen ist. Diesmal versuche ich, es etwas mehr zu genießen und das olympische Flair mitzunehmen."
Abschalten auf dem Golfplatz
Auch ein Spitzensportler braucht Ausgleich vom Trainings- und Wettkampfalltag. Den findet Hämmerle auf dem Golfplatz. "Vor zwei Jahren habe ich das Golfen für mich entdeckt. Es ist ein Sport, den ich nach zwei Trainingseinheiten am Tag immer noch machen kann." Der Grund: Er ist draußen, an der frischen Luft – und kann abschalten. "Mein Training findet oftmals indoor statt, und beim Golf bin ich draußen. Das hilft mir, den Kopf freizubekommen."
Seine Platzreife hat er schon vor einigen Jahren gemacht. "Über einen Teamkollegen bin ich dann wieder dazugekommen." Sein Handicap liegt bei 30 – ehrgeizig, aber entspannt. "Ich bin zwar ambitioniert, aber nicht so, dass ich Single-Handicap spielen möchte. Golf ist extrem schwierig. Obwohl ich polysportiv talentiert bin, tue ich mir beim Golfen schwer, die Kugel gut zu treffen. Aber genau das ist der Reiz daran."
Was Snowboardcross und Golf verbindet, erklärt Hämmerle so: "Auf der Strecke muss man mental voll da sein – da sind noch drei andere neben dir, und du musst trotzdem bei dir bleiben. Genauso ist es am Golfplatz. Diese Konzentration vor jedem Schlag ist ein gutes Training für den Winter."
Wenn niemand Zeit hat, geht er auch allein. "Dann spiele ich einfach ein paar Löcher – das hilft mir, nach einem langen Trainingstag runterzukommen", meint er. Danach geht es dann wieder nach Hause in seine "sportfreie Zone".
(VOL.AT)