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EU-Kommission fordert: Beitritt der Ukraine weiter forcieren

Die Slowenin Marta Kos ist in Brüssel für die EU-Erweiterung zuständig
Die Slowenin Marta Kos ist in Brüssel für die EU-Erweiterung zuständig ©APA/AFP
Die EU-Kommission hat die Mitgliedstaaten aufgefordert, in ihren Bemühungen um einen EU-Beitritt der Ukraine nicht nachzulassen. Das Land habe trotz des russischen Angriffskriegs sein "Bekenntnis zum EU-Kurs unter Beweis gestellt und wichtige Reformen vorangetrieben", sagte die zuständige Kommissarin Marta Kos am Dienstag in Brüssel anlässlich der Veröffentlichung des jährlichen Berichts über die Fortschritte bei der EU-Erweiterung.

Es werde "von entscheidender Bedeutung sein, diese Dynamik aufrechtzuerhalten und jegliches Risiko eines Rückschritts zu vermeiden", betonte Kos. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj schrieb auf der Plattform X, die Ukraine sei bereit, die ersten drei Verhandlungskapitel zu eröffnen. "Wir erwarten die entscheidenden Maßnahmen der EU, um alle künstlichen Hindernisse für ein starkes und geeintes Europa zu überwinden."

Die russische Invasion der Ukraine hat den lange stillstehenden Bemühungen um eine Erweiterung der 27 Mitgliedsländer zählenden EU neues Leben eingehaucht. Brüssel sieht die Erweiterung angesichts der russischen Aggression und des Wettbewerbs mit China als geopolitische Priorität an.

Derzeit gibt es zehn Beitrittskandidaten - auch wenn der Prozess bei einigen Ländern, wie etwa der Türkei, praktisch eingefroren ist. Am meisten Hoffnungen auf einen baldigen Beitritt dürfen sich die beiden Balkanländer Montenegro und Albanien machen. Der Ukraine und Moldau steht nach ihren Beitrittsersuchen im Jahr 2022 zwar noch ein langer Weg bevor. Beide Länder haben aber in der kurzen Zeit bereits entscheidende Fortschritte gemacht. Für einige Länder sei ein EU-Beitritt in den kommenden Jahren "eine realistische Möglichkeit", sagte Kos. Das nächste Jahr werde "ein Moment der Wahrheit für alle Beitrittskandidaten", betonte sie.

Montenegro will Verhandlungen bis Ende 2026 abschließen

Ein Beitritt zur EU beinhaltet jahrelange Verhandlungen und umfassende Reformen. Montenegro hat angekündigt, den Prozess bis Ende 2026 abschließen zu wollen. Albanien will dies 2027 erreichen, die Ukraine und Moldau hoffen auf 2028.

Für einige Länder hält der Bericht allerdings Kritik parat. So ist der Ausblick für Georgien düster. Die Regierung des Kaukasus-Landes hat sich zuletzt zunehmend Russland zugewandt und geht hart gegen die Opposition vor. Die Lage in Georgien habe sich "drastisch verschlechtert", sagte Kos. Es habe "gravierende Rückschritte in Sachen Demokratie" gegeben. "Die Kommission betrachtet Georgien nur noch dem Namen nach als Beitrittskandidat", verdeutlichte die Erweiterungskommissarin.

Auch in Serbien gingen die Reformen "deutlich" langsamer voran als zuvor, sagte Kos. Die Regierung in Belgrad bekräftigt dennoch immer wieder ihren Willen zum Beitritt.

Angesichts einer möglichen Vergrößerung der EU strebt Brüssel Reformen an, um die Entscheidungsfähigkeit der Union zu gewährleisten. In den vergangenen Jahren haben Länder wie Ungarn die Arbeit der EU immer wieder blockiert und im eigenen Land die Rechtsstaatlichkeit ausgehöhlt. Kos sagte, die EU wolle "stärkere Schutzmaßnahmen" ergreifen, um dies künftig zu verhindern.

Reaktionen aus Österreich

"Der Beitrittsprozess der Ukraine hätte unter diesen Gegebenheiten und angesichts der jahrelangen, weit erfolgreicheren Prozesse mit anderen Aspiranten, die auf einen Beitritt warten, nie gestartet werden dürfen", forderte indes die FPÖ-Außenpolitik- und EU-Sprecherin Susanne Fürst. Ein sich aktuell im Krieg befindendes Land, "wo Korruption und Vetternwirtschaft grassieren" dürfe kein ernst zu nehmender EU-Beitrittskandidat sein, so Fürst. Ein Beitritt der Ukraine wäre wirtschaftspolitischer Selbstmord für die EU. Stattdessen sollte die EU-Kommission, den Beitrittsprozess mit Kandidaten wie Montenegro und Serbien voranzutreiben, so die freiheitliche Außenpolitik-Sprecherin.

"Montenegro hat am Weg in Richtung EU die Nase vorne und realistische Chancen, noch in dieser Periode bis 2029 der 28. EU-Mitgliedstaat zu werden", konstatierte Reinhold Lopatka, ÖVP-Delegationsleiter und Montenegro-Chefverhandler der Europäischen Volkspartei im Europaparlament. "Auch Albanien kann auf schöne Erfolge bei den Reformen verweisen und ist bei der Umsetzung von europäischen Standards in vielen Bereichen weit fortgeschritten", so Lopatka weiters. Zudem ortete der ÖVP-Politiker Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung und Wirtschaftsreformen in Moldau. In Serbien liege es in der Hand der Regierung von Präsident Aleksandar Vucic, ob das Land wieder auf den Weg in Richtung EU zurückkehre, erklärte Lopatka. "Oder ob er dem Beispiel Georgiens folgen wolle, das sich von der EU abgewandt hat und in Russlands Einflusssphäre drängt."

"Der Beitritt Albaniens ist eine Chance für Europa. Das Land hat einen stabilisierenden Faktor in der Region und ist jetzt schon einer unserer engsten Verbündeten in der Sicherheits- und Außenpolitik", betonte SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder, der als ständiger Albanien-Berichterstatter des EU-Parlaments erst vor kurzem dort war. Kritik übte Schieder an Serbien: "Es ist höchste Zeit, dass die EU-Kommission endlich deutlichere Worte gegenüber Serbien findet und von ihrer Appeasement-Politik abrückt." EU-kritische Äußerungen und Putin-freundliche Positionierungen dürften nicht weiter belohnt werden, so Schieder.

"Ohne die Länder des Westbalkans ist die EU nicht komplett. Wenn wir diese Region nicht integrieren, werden es andere tun. Europa steht hier im Wettbewerb mit Autokraten wie Putin, die darauf setzen, dass wir zögern", betonte der NEOS-Delegationsleiter im EU-Parlament Helmut Brandstätter. "Erweiterung ist Europas Sicherheitsprojekt." Brandstätter verwies auf Fortschritte in Albanien und Montenegro und die dort breit verankerte europäische Perspektive. Als Schattenberichterstatter des Europäischen Parlaments für Serbien warnte Brandstätter vor der autoritären Entwicklung dort. "Wer Rechtsstaat, Medienfreiheit und Opposition angreift und Moskaus Kurs stützt, führt sein Land von Europa weg. Solange dieser Kurs anhält, wird Serbien der EU nicht beitreten."

(APA/dpa/AFP)

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